Deutsche Schicksale in Rumänien

Historischer Überblick
In der Steppe ausgesetzt

Historischer Überblick und deutsche Schicksale in Rumänien

Das Königreich Rumänien ging als Siegermacht aus dem Ersten Weltkrieg hervor. Aus dem zerfallenden Österreich-Ungarn, dem untergegangenen russischen Zarenreich und dem Gebiet der südlichen Nachbarn wurden Rumänien erhebliche Teile zugesprochen. Das neue „Großrumänien“ war etwa doppelt so groß wie das „Altreich“ vor dem Krieg, das aus den historischen Fürstentümern Moldau und Walachei bestanden hatte. In Siebenbürgen (Transsilvanien) stimmten Rumänen und Siebenbürger Sachsen für den Anschluss an Rumänien, die bedeutende ungarische Minderheit wollte bei Ungarn verbleiben. Ungarn verlor auch das Temeschwarer Banat, das Kreischgebiet und die Maramuresch.

1940 musste Rumänien große Teile des Zugewinnes an Ungarn, die Sowjetunion und Bulgarien zurückgeben. König Caroll II. ging ins Exil, der neue Ministerpräsident Ion Antonescu errichtete eine faschistische Diktatur und beteiligte sich im Juni 1941 an der Seite Hitlers am Einmarsch in die Sowjetunion.

Rumänien war für die deutsche Kriegsführung als Erdöllieferant strategisch wichtig. Die Deutschen in Rumänien dienten zunächst in der rumänischen Armee, doch ab 1942 wurden zahlreiche Männer für deutsche Einheiten, vor allem für die Waffen-SS rekrutiert. Als eine rumänische Kapitulation wegen des Vormarsches der Roten Armee nahe schien, wurde Antonescu am 23. August 1944 gestürzt und Deutschland der Krieg erklärt. Am 25. August 1944 erklärte König Michael Deutschland den Krieg. Dieser Seitenwechsel bewirkte, dass Rumänien von Stalin als Verbündeter betrachtet wurde.

In Rumänien fand 1945 keine Vertreibung der im Lande lebenden Deutschen statt. Jedoch wurden 70.000 bis 80.000 von ihnen zwischen Januar 1945 und Dezember 1949 zu Wiederaufbauarbeiten in die UdSSR deportiert. Betroffen waren Männer zwischen 17 und 45 und Frauen zwischen 18 und 35 Jahren. Es handelte sich dabei um 30.000 Siebenbürger Sachsen und 35.000 Banater Schwaben und sowie etwa 5.000 Sathmarer Schwaben, die in die Sowjetunion deportiert wurden. Die Sowjets betrachteten auch sie als lebende Reparationsleistungen.

Die Deportation lief nach einem von den rumänischen Behörden in enger Zusammenarbeit mit den sowjetischen Besatzern vorbereiteten Plan. Bereits im Dezember erhielten die rumänischen Polizeiinspektoren auf telefonischem Weg Anordnungen zu konkreten Vorbereitungsmaßen. Die Ortseingänge wurden teilweise von Militär und Polizei abgeriegelt, der Telefon-, Telegraf- und Eisenbahnverkehr wurde unterbrochen, und gemischte rumänisch-sowjetische Patrouillen gingen mit vorbereiteten Listen zur Aushebung von Haus zu Haus. Viele Rumäniendeutsche waren verbittert, weil sie von rumänischen Nachbarn, Bekannten oder Kriegskameraden verraten und den Sowjets ausgeliefert wurden. Der Eisenbahntransport bis an die rumänisch-sowjetische Grenze fand oft noch in rumänischer Regie und unter rumänischer Bewachung statt. Die staatliche Eisenbahngesellschaft Rumäniens hatte Wochen im voraus Viehwaggons im Hinblick auf die Aktion vorbereitet. Allgemein herrschte unter Rumäniendeutschen die Sichtweise vor, dass die rumänische Regierung die Deutschen willfährig opferte, um der UdSSR nicht rumänische Zwangsarbeiter stellen zu müssen.

Die Transporte gingen in den Ural, den Kaukasus und das Donezkgebiet. Dort mussten die Menschen im Bergbau und in der Schwerindustrie Zwangsarbeit leisten. Die Zahl der Todesopfer wird je nach Quelle auf 20 bis 25 Prozent geschätzt.

Bereits im Spätsommer 1945 kehrten die ersten Deportierten wieder in die Heimat zurück, oft krank und arbeitsunfähig. Die letzten wurden 1950/1951 nach Rumänien zurück oder nach Deutschland gebracht.
Ab 1946 fanden Transporte in die Besatzungszonen statt. Zwischen 1950 und den 1990er Jahren kamen rund 430.000 Deutsche aus Rumänien als Vertriebene, Aussiedler und Spätaussiedler in die Bundesrepublik.

  1930 1930 1948
  dt. Volkszugehörigkeit dt. Muttersprache dt. Muttersprache
Siebenbürgen 237.416 237.881 157.105
Banat 275.369 281.067 171.022
Sathmar-Gebiet 31.067 21.845 3.939
Bessarabien 81.089 80.568 4.189
Bukowina 75.533 93.812 12.439
Dobrudscha 12.581 12.439 -
Alt-Rumänien (Moldau, Große und kleine Walachei) 32.366 33.075 7.196
Rumänien insgesamt 745.421 760.687 343.913

Aus: Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (Hrsg.): Das Schicksal der Deutschen in Rumänien. Augsburg 1994.

Lager in Bărăgan-Steppe und Donau-Schwarzmeer-Kanal

Frau U. R. aus Ulmbach im Banat schildert ihren Transport:

"In Marschkolonnen führten uns die rumänischen Posten mit aufgepflanztem Bajonett zum Bahnhof; unsere Angehörigen durften nicht mehr in unsere Nähe, sie begleiteten uns am Straßenrand entlang, winkend und weinend. 30 Personen kamen in einen Waggon. Als alles verladen war, wurden die Türen von außen verriegelt, und der Zug setzte sich langsam in Bewegung, als ob er überlastet wäre. Unsere Angehörigen liefen eine Strecke mit, wir sahen niemanden, aber hörten ununterbrochen Abschiedsrufe."

Aus: Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (Hrsg.): Das Schicksal der Deutschen in Rumänien. Augsburg 1994.

 

Victoria Szitka aus Rumänien berichtet:

"Nach zweieinhalb Wochen kamen wir an. Wir wohnten drei Tage in einem großen Gebäude, in einem Theater oder was es war, bis sie für uns ein Lager gebaut hatten. Also die Wände existierten bereits, aber es gab keine Betten. Sie fertigten sie, zweistöckig, aus gefrorenen Brettern, so viel Frost gab es. Dort schliefen wir, damit sie auftauten. Sie trennten mich von meinem Cousin und meinen Nachbarn, sie trennten Männer und Frauen, aber die Männer waren noch irgendwo in der Nähe. Im Donbas konnte man, soweit das Auge reicht, nur Kohle sehen. Es war schwer. Ich wohnte in einem einzigen Lager, aber den Arbeitsplatz musste ich wechseln. Ich arbeitete in der Mine. Ich war auf einer Platte, wo ich die Kohle nahm und weitergab zum Transportieren nach oben. Ich arbeitete unten, in der Mine, ich lud Kohle auf zum Transport an die Oberfläche. Dort arbeitete ich etwas mehr als vier Jahre. Es war Schwerstarbeit, aber mit der Zeit gewöhnten wir uns daran, wir merkten es kaum noch."

Aus: Betea, Lavinia/Diac, Cristina/Mihai, Florian-Răzvan/Tui, Ilarion: Die Deportation der Deutschen aus Rumänien in die Sowjetunion. Deutsche Ausgabe 2012.2012.

Johann Probst, Jahrmarkt/Crailsheim berichtet:

"Am 14. Januar 1945 wurden mein Vater und ich (...) von Soldaten eines russischen und rumänischen Militärkommandos festgenommen. Wir wurden in die Zigeunergasse geführt und sowjetischen Posten übergeben. Dort waren wir zwei Tage in Häusern eingesperrt und wurden zum Schluss in Lastwagen abtransportiert, obwohl der Bahnhof ganz nahe war. Meine Mutter ist in der Zeit oft in die Zigeunergasse gekommen und hat etwas von daheim zum Essen mitgebracht.
Sie hoffte immer, dass sie uns nicht wegführen werden. Aber das war ja schon längst anders beschlossen. Die letzten Worte zu meiner Mutter waren: ‚Ich komme bald heim.‘ Leider kam alles anders als gehofft: Wir wurden nach Temeswar transportiert, in Viehwaggons eingepfercht und dann ging die Fahrt los Richtung ‚Russland‘, in die damalige Sowjetunion. Achtzehn Tage dauerte es, bis wir im Donbas im Lager Nowotroizk (Lager Nr. 61948) angekommen waren."

Aus: www.jahrmarkt-banat.de/Russland2013.html

Johann Noll als 16-jähriger in die Region Donbass verschleppt, berichtet:

"Als ich den Finger verlor, war ich im Lager und konnte nicht arbeiten, ich war Totengräber. Es war ein Fuhrwerk voll Menschen, die dort starben. Es gab eine Grube, bedeckt mit Schilf und Erde und nachts wurden sie hingeworfen. Morgens sind wir wieder mit dem Wagen hingefahren, wir waren zwei Personen, und wir fuhren zu dem Platz, wo der Friedhof war. Die Erde war so zugefroren und, was für eine Kraft hatten
wir schon, so konnten wir kein Grab ausheben. Wir haben sie mit Schnee zugedeckt und das war es. Was haben wir gemacht? Es kam ein Hund und wir nahmen uns vor, ihn zu fangen. Wir haben ihn erwürgt und abgezogen, wir warfen ihm in den Wagen und fuhren ins Lager, wir hatten einen Ofen und den Hund gebraten. Und wir haben ihn gegessen. Das nächste Mal war da eine Ziege. Katzen. Wer nie Hunger gelitten hat, weiß nicht, was Hungern heißt!"

Aus: Betea, Lavinia/Diac, Cristina/Mihai, Florian-Răzvan/Tui, Ilarion: Die Deportation der Deutschen aus Rumänien in die Sowjetunion. Deutsche Ausgabe 2012.

Herta Müller schreibt im Nachwort ihres Buches „Atemschaukel“:

"Auch meine Mutter war 5 Jahre im Arbeitslager. Weil es an die faschistische Vergangenheit Rumäniens erinnerte, war das Thema Deportation tabu. Nur in der Familie und mit engen Vertrauten,
die selbst deportiert waren, wurde über die Lagerjahre gesprochen. Und auch dann nur in Andeutungen. Diese verstohlenen Gespräche haben meine Kindheit begleitet. Ihre Inhalte habe ich nicht verstanden, die Angst aber gespürt."

Aus: Müller, Herta: Atemschaukel. München 2009.

 

Nikolaus Barthold berichtet über seine Deportation nach Russland:

"Ich wurde am 14. Januar 1945 deportiert. (…) Die Gendarmen sind gekommen, heute würde man Miliz oder Polizei sagen, begleitet von einem russischen Soldaten mit Gewehr. Ich habe gerade gegessen.
Sie sind ins Haus gekommen und haben gesagt: ‚Zieht euch an und kommt mit‘. Ich hab mich angezogen. (…) Es ist einmal passiert, dass jemand geflohen ist. An dessen Stelle wurde ein Rumäne genommen, der gerade in der Nähe war, damit die Zahl stimmte. Es waren aber auch einige vom rumänischen Militär mit deutsch klingend, obwohl sie kein Wort Deutsch konnten. (…) Jemand aus Ceahova, Tremser, (…) hatte ein russisches Alphabet dabei. Ich bat ihn, es mir zu geben. Ich hatte auch ein Heft dabei, um Briefe zu schreiben. Dieses habe ich nun zum Russischlernen verwendet. Ich habe es recht schnell gelernt."

Aus: Der weite Weg ins Ungewisse, Die Deportation der Deutschen aus Rumänien in die Sowjetunion, Landsmannschaft der Banater Schwaben (Hsgr.),
Levinia, Betea, Cristina Diac, Florian-Răzvan Mihai, Ilarion Ţiu, Tărgovişte, 2012.

Deportation in die Bărăgan-Steppe

In der Steppe ausgesetzt

1951 ließ die rumänische Regierung Bewohner eines bis zu 50 Kilometer breiten Saums entlang der Grenze zu Jugoslawien in die Bărăgan-Steppe der Walachei deportieren. Grund für die Zwangsumsiedlung war der Sonderweg Jugoslawiens unter Tito, der sich anders als die übrigen Ostblockstaaten von Stalin losgesagt hatte. In Bukarest fürchtete man, die Grenzbewohner könnten sich für den jugoslawischen Kommunismus begeistern. Daher galt es, die Grenzregion von „politisch unzuverlässigen Elementen“ zu „säubern“. Betroffen waren Rumänen, Serben, Ungarn und Bulgaren und 9.410 Deutsche.
Die Deportationen begannen am 16. Juni 1951. Die auf Listen erfassten Personen wurden nachts geweckt und aufgefordert, sich binnen zwei Stunden an einem Sammelplatz einzufinden. Mitnehmen durften sie nur, was sie tragen konnten. Über 10.000 Mitglieder der rumänischen Grenztruppen waren an der Aktion beteiligt. Wohin die Reise ging, wussten die Deportierten nicht. Am Ankunftsort waren für einige wenige Verschleppte Lehmhütten mit Strohdächern vorhanden. Die meisten wurden jedoch auf freiem Felde abgesetzt. Es herrschte Wasser- und Nahrungsmittelmangel. Den Deportierten gelang es bis zum Winter, einfache, stroh- oder schilfrohrgedeckte Lehmhütten oder Erdhügel zu errichten. Sie arbeiteten in der Landwirtschaft und bauten 18 Siedlungen. Sie durften sich nur in einem Umkreis von 15 Kilometern bewegen und keinen Besuch empfangen.

Etwa ein Viertel der mehr als 40.000 Deportierten starb in der Verbannung, darunter 629 Deutsche. Im Zusammenhang mit der Aufnahme Rumäniens in die Vereinten Nationen 1956 durften die Deportierten auf eigene Kosten in ihre Heimat zurückkehren.

In der Bărăgan-Steppe angekommen © Landsmannschaft der Banater